Menschlichkeit statt Kontrolle –
Moderne Unternehmenskultur bei AHO.BIO
Stabilität statt Wachstum. Teilzeit statt Vollzeit. Vertrauen statt Zeugnisse. Was für viele Arbeitgeber nach einem Widerspruch klingt, ist für Alexander Wies, Gründer und Geschäftsführer der AHO.BIO GmbH, gelebte Realität. In einer Arbeitswelt, die häufig von Expansion, Effizienzdruck und Vollzeitverfügbarkeit geprägt ist, setzt Wies auf ein anderes Modell – eines, das auf Achtsamkeit, Selbstverantwortung und echtes Wohlbefinden basiert. Das Weserwirtschaftsforum hat sich gefragt: Ist Alexander Wies ein Pionier des Postwachstums? Oder einfach ein Unternehmer, der den Mut hat, neue Wege zu gehen?
Alexander Wies (links) I Geschäftsführer I AHO.BIO GmbH I Foto: Weserwirtschaftsforum/Katharina Cruz
Weserwirtschaftsforum: Da wir uns persönlich kennen, bleibe ich beim Du. Danke, dass Du Dich für das Weserwirtschaftsforum Zeit genommen hast. Eine Idee oder eine Vision in ein Unternehmen umzuwandeln zeugt von Charakter und Mut. Welche Motive hattest Du oder Ihr, das Unternehmen zu gründen und vor allem welche Vision steckt hinter AHO.BIO?
Alexander Wies: Am Anfang hatten wir zwei klare Visionen. Die drei Gründer lebten zunächst in Hannover, zogen dann gemeinsam nach Flegessen, einem kleinen Dorf in Bad Münder. Wir arbeiteten weiterhin in Hannover, doch das tägliche Pendeln wurde zur Belastung. Deshalb fassten wir den Entschluss: Wir wollen dort leben und arbeiten, wo wir uns zu Hause fühlen – im Dorf. Gleichzeitig hatten wir schon früh ein starkes Bewusstsein für gesunde Ernährung entwickelt und stellten privat unsere eigenen Lebensmittel her. Freunde waren begeistert und wollten unsere Produkte kaufen. So entstand die Idee, aus dieser Leidenschaft ein Unternehmen zu gründen. Unsere erste Motivation war es, im Dorf Arbeitsplätze zu schaffen – für uns und für andere, um dem Pendeln zu entkommen. Die zweite, sehr persönliche Motivation war der Wunsch nach mehr Lebensqualität: mehr Zeit für die Familie, für uns selbst und für das, was wirklich zählt. Ich war überzeugt, dass man auch mit 20 Stunden Arbeit pro Woche gut leben kann – und so wurde AHO.BIO unter der Bedingung gegründet, dass alle Mitarbeitenden nur 20 bis 25 Stunden pro Woche arbeiten. Wie man sieht: Es funktioniert.
Weserwirtschaftsforum: 2020 seid ihr bei VOX in der TV-Sendung “Die Höhle der Löwen” aufgetreten. Der Investor Carsten Maschmeyer hat in der Sendung über den Cracker-Geschmack geschimpft, heißt es in den Medien. Wie war der Pitch für Euch bei VOX und wie war die Wirkung für Euch damals als Startup nach der Sendung?
Alexander Wies: Nur wenige Monate nach der Gründung von AHO.BIO wurden wir von der Produktionsfirma der VOX-Sendung „Die Höhle der Löwen“ angesprochen. Uns war von Anfang an bewusst, dass es sich dabei in erster Linie um eine TV-Show handelt – weniger um den reinen Produktverkauf. Aber wir wussten auch: Wir haben eine starke Story. Ein Teil davon begann in Nicaragua, wo wir eine Zeit lang lebten und die ersten Produkte entwickelten. Unsere Geschichte überzeugte, und wir wurden zur Sendung eingeladen. Der Pitch lief für uns sehr gut. Ein Coach bereitete uns professionell auf den TV-Auftritt vor – trotzdem traten wir ohne ein festes Drehbuch auf. Kurz vor Beginn erfuhren wir, dass wir aufgrund der damaligen Corona-Maßnahmen keine Dips und Aufstriche zu den Crackern servieren durften. So mussten wir allein mit dem puren Geschmack unserer ursprünglichen Cracker überzeugen – ein Geschmack, der für viele zunächst ungewohnt ist, weil er sich stark von industriell verarbeiteten Lebensmitteln unterscheidet. Damals war auch die Qualität unserer Produkte noch nicht auf dem heutigen Niveau – AHO.BIO hat sich seither kontinuierlich weiterentwickelt. Zur Teilnahme ermutigt hatten uns Freunde, die bereits selbst bei der Sendung mitgewirkt hatten. Wir bekamen schließlich 10 Minuten Sendezeit – und sogar Sony kam auf uns zu, um zusätzlich eine Homestory zu drehen. Den Ausstrahlungstag haben wir gemeinsam mit Freunden gefeiert – und waren völlig überwältigt: Direkt im Anschluss wurde ein mehrminütiger Werbeblock über uns ausgestrahlt.
Der Effekt war enorm: Vor der Sendung lagen unsere monatlichen Umsätze im vierstelligen Bereich. Am Tag der Ausstrahlung erzielten wir einen sechsstelligen Umsatz – ein absoluter Meilenstein. Für uns war der Auftritt bei „Die Höhle der Löwen“ nicht nur eine große Chance, sondern auch eine wertvolle Erfahrung. Das Feedback war überwältigend – und wir sind dankbar, dass so viele Menschen durch die Sendung auf unsere Vision und unsere Produkte aufmerksam wurden.
Weserwirtschaftsforum: Was ist das Besondere an Euren Produkten bzw. an AHO-Superfood?
Alexander Wies: Bei AHO.BIO legen wir größten Wert auf Regionalität und Qualität. Unsere natürlichen Rohstoffe beziehen wir ausschließlich aus Deutschland und Europa – bewusst und konsequent. Unser Ziel ist es, unseren Kunden die besten und gesündesten Produkte anzubieten. Jeden Tag stellen wir uns der Herausforderung, Geschmack und Gesundheit miteinander zu verbinden. Ein Beispiel dafür ist unser gekeimtes Dinkel-Sauerteigbrot: Es ist besonders gut verträglich – auch für Menschen mit bestimmten Unverträglichkeiten – und bietet eine nährstoffreiche Alternative zu herkömmlichem Brot. Unsere Produkte verstehen wir als natürlichen Mehrwert für den Alltag. Sie zeigen: Eine achtsame, transparente Herstellung ist möglich – ohne Kompromisse im Geschmack und ganz ohne künstliche Zusätze. Was uns besonders macht: Bei AHO.BIO sind wir persönlich für unsere Kunden da. Wer bei uns anruft, spricht direkt mit einem der Gründer. Wir nehmen uns Zeit, beantworten Fragen ehrlich und individuell – und versenden unsere Produkte direkt von unserem Standort in Flegessen. Auch Besuche sind möglich: Unsere Türen stehen offen. Wir arbeiten eng mit regionalen Mälzereien zusammen, um zum Beispiel unseren Dinkel sorgfältig zu keimen – ein zentraler Bestandteil unserer Philosophie. Auch bei der Verpackung gehen wir unseren Weg konsequent weiter: plastikfrei und umweltschonend.
Weserwirtschaftsforum: Man liest, dass Ihr alles möchtet, außer wachsen. Kann man überhaupt wirtschaften, ohne Schaden an der Natur und den Menschen anzurichten? Ist AHO.BIO ein Vorbote oder Pioneer einer Welt des Postwachstums?
Alexander Wies: Ein klares Ja. Wir haben in diesem Jahr unsere gesetzten Ziele erreicht. Weder haben wir Verluste gemacht noch sind wir gewachsen – und das ist für uns völlig in Ordnung. Im Bereich Marketing konnten wir Kosten einsparen, gleichzeitig haben wir unsere Effizienz gesteigert. In unserer Gesellschaft wird Wachstum oft als das einzige Ziel betrachtet – wir sehen das anders. Kein Wachstum ist für uns das Normalste der Welt. Ein gutes Beispiel ist der Bäcker im Dorf: Er hat seine Stammkundschaft und muss nicht ständig wachsen, um erfolgreich zu sein. Warum sollte das bei uns anders sein? Wir vergleichen unser Unternehmen gerne mit einem Baum: Am Anfang wächst er schnell, streckt sich nach dem Licht. Doch mit der Zeit verlangsamt sich das Wachstum. Die Energie fließt dann in tiefere Wurzeln, stärkere Äste – in Stabilität. Genauso sehen wir es bei AHO.BIO: Unser derzeitiges Wachstumsmodell ist vernünftig, gesund und langfristig tragfähig – auch für unser Team. Der Druck zur ständigen Expansion, wie ihn viele Unternehmen erleben, erzeugt unnötigen Stress
– und genau das wollen wir vermeiden. So sehr wir auf ökologische Aspekte achten – wirklich nachhaltig kann auch unsere Art des Wirtschaftens nicht sein. Wir versenden unsere Produkte überwiegend online und erzeugen dabei CO₂, auch wenn es tendenziell weniger ist als beim Vertrieb über Supermärkte. Dennoch: Für unseren Planeten Erde wäre es am nachhaltigsten, wenn jeder Mensch seine Nahrung selbst im eigenen Garten anbaut. Jeder Kilometer, der mit dem Auto oder LKW gefahren wird, ist einer zu viel. Wir wissen, dass wir in einem globalen System agieren, aber wir versuchen, es so bewusst, effizient und transparent wie möglich zu gestalten. Das ist unser Beitrag.
Weserwirtschaftsforum: Hohe Energiekosten, Fachkräftemangel, alternde Gesellschaft, Verrohung der Gesellschaft, Abwanderung der Jugendlichen aus dem ländlichen Raum etc., die Problemliste ist lang. Welches Bewusstsein und neue Denkweisen brauchen wir aus Deiner Sicht, um die Probleme von heute für die Generation von morgen zu lösen?
Alexander Wies: Bei AHO.BIO haben wir kein Problem, Mitarbeitende zu finden – im Gegenteil. Unser modernes Teilzeitarbeitsmodell ist für viele Menschen sehr attraktiv. Wir bieten nicht nur Flexibilität, sondern auch eine Kultur, in der sich Menschen wirklich wohlfühlen können. Unsere Belegschaft ist bunt gemischt – von jungen bis älteren Mitarbeitenden. Damit sprechen wir eine Nische an, die viele Arbeitssuchende anspricht. Bei der Einstellung neuer Mitarbeitender schaue ich mir keine Zeugnisse oder Arbeitszeugnisse an. Denn es geht nicht darum, was jemand auswendig gelernt hat, sondern wer der Mensch ist – ob er oder sie ins Team passt. Unsere Aufgaben sind einfach, aber effizient. Es braucht keine akademischen Titel, sondern vor allem Offenheit, Zuverlässigkeit und Menschlichkeit. Ich erinnere mich an einen neuen Kollegen, der während seiner Pause in der Küche war. Als ich den Raum betrat, zuckte sein Körper merklich zusammen. Es war offensichtlich: Bei seinem früheren Arbeitgeber hatte er schlechte Erfahrungen gemacht – offenbar Angst, wenn „der Chef“ den Raum betritt. Für uns war das ein klares Zeichen, wie tief solche toxischen Unternehmenskulturen wirken können – und wie wichtig es ist, sie aufzulösen. Bei AHO.BIO pflegen wir eine entspannte, angstfreie und selbstbestimmte Arbeitskultur. Neue Mitarbeitende brauchen oft Zeit, um alte Muster loszulassen – und sich an ein Umfeld zu gewöhnen, in dem Vertrauen und Menschlichkeit zählen statt Kontrolle. Uns ist es wichtig, dass alle Mitarbeitenden bei AHO.BIO echte Selbstständigkeit und Eigenverantwortung spüren. Denn genau in diesem Gefühl entstehen Freude, Motivation und oft auch Glücksgefühle. Wenn ich mehrere Wochen unterwegs bin, weiß ich, dass alles läuft – weil die Menschen hier in ihrem Bewusstsein selbstverantwortlich handeln. Das erfordert als Führungskraft vor allem eines: Mut – und die Fähigkeit, loszulassen. Die besten Betriebe sind die, in denen eigenverantwortliche Mitarbeitende keine Führungskraft mehr brauchen. Und das Schönste ist: Im Feedback sehe ich, dass es funktioniert. Die Menschen bei AHO.BIO fühlen sich wohl, sie sind motiviert und haben Freude an ihrer Arbeit. Genau das ist für mich wahre Wertschätzung.
Weserwirtschaftsforum: Alex, vielen Dank für das Gespräch, für die neuen Impulse und Denkweisen.
Das Gespräch führte Joel Cruz