Yes, she can
Frauenförderung ist ein gesellschaftliches wichtiges Thema. Wir sprachen mit Frau Gil Maria Leichtle. Sie ist Herausgeberin des FrauenBranchenBuches Hannover und Umgebung, Verlegerin, Netzwerkerin, Weiterbildungsfan, Wirtschaftsfachwirtin, Mentaltrainerin und Impulscoach – noch was? Ach ja, sie ist die Frau hinter dem Frauenkongress in Hannover.
Gil Maria Leichtle I Unternehmerin I Foto: Holger Bulk
Weserwirtschaftsforum: Frau Gil Maria Leichtle, zunächst einmal vielen Dank, dass Sie sich für das Weserwirtschaftsforum e.V. Zeit genommen haben. Es wird
viel über den Kulturwandel in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gesprochen. Stimmen Sie folgende Aussage zu: Wo Frauen führen, entsteht ein echter Wandel?
Gil Maria Leichtle: Wandel geschieht da, wo Offenheit, Neugierde und der klarer Wille sind. Es gibt enorm erfolgreiche und innovative Frauen und inzwischen auch an ganz vorderer Reihe – allerdings zu wenige.
Man kann jetzt nicht pauschal sagen, dass es überall so ist, dass Frauen effektiver oder besser sind – aber eben auch nicht schlechter! Die Statistik zeigt, dass insbesonders gemischte Teams leistungsstärker und erfolgreicher sind. Und das ist ja auch logisch. Frauen haben einfach manche Aspekte stärker als Männer, sie sind insgesamt eher reflektierter, empathischer, kommunikativer und kreativer, während bei Männern eher die tatkräftigen, direkten, risikofreudigeren Tendenzen stärker sind. Diversität ist ein Gewinn und insbesondere da, wo es um neue Denkweisen geht, wo Wandel passiert, oder gewünscht ist, sollten mehr Frauen und gemischte Teams ans Ruder.
Weserwirtschaftsforum: Zwar steigt der Frauenanteil in Führungspositionen und
liegt derzeit bei den DAX-Unternehmen bei 23,5 Prozent. Trotz gesetzlicher Vorgaben ist diese Zahl immer noch ernüchternd. Bei 23,5 Prozent kann man nicht von Gleichberechtigung oder Chancengleichheit sprechen. Was kann man aus Ihrer Sicht tun, um den Frauenanteil an Führungskräften in der Wirtschaft deutlich zu erhöhen?
Gil Maria Leichtle: Es gibt inzwischen besonders in Konzernen viele Programme zur Förderung von Frauen und ihrem Potential, auch Mentoring, doch noch viel zu wenig, gerade auch im Mittelstand. Mentoring und Förderprogramme sind also relevante Faktoren. Und bis es soweit ist: Quoten. Ich bin zwar überzeugt davon, dass Qualität sich durchsetzt, aber es dauert einfach zu lange, bis die Strukturen aufgeweicht sind. Insofern ist eine Quotenregelung als Übergangslösung sinnvoll. Und natürlich spielt bei Frauen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine enorme Rolle. Zeitlich flexiblere Kinderbetreuung und selbstverständlich auch Elternzeit für Väter sind da sehr wichtige Hebel. Ein riesiges Potential geht der Wirtschaft verloren, wenn Frauen nicht für Führungsrollen gewählt werden oder sich selber dagegen entscheiden, weil die zuverlässige Betreuung der Kinder nicht gewährleistet ist. Und noch etwas: Jobsharing und Teilzeitmodelle sollten auch in Führungspositionen diskutiert und ermöglicht werden! Ich bin überzeugt, dass zwei Teilzeitkräfte signifikant bessere Wirkung erzielen können als eine Vollzeitstelle. Austausch, Nutzung der diversen Fähigkeiten und Kooperation sind Schlüssel dafür. Ein weiterer und entscheidender Punkt ist, dass Frauen auch die erste Reihe für sich einnehmen und sich nicht von Kritik und Angriffen den Wind aus den Segeln nehmen lassen, sondern selbstbewusst ihre Fähigkeiten einsetzen und Führungsrollen übernehmen. Wir sehen es immer wieder in Politik und Wirtschaft, dass Frauen leider schneller aufgeben, wenn Gegenwind stark ist, während Männer eher den Sturm über sich hinwegbrausen lassen und dann weitermachen. Wir brauchen auch eine Fehlerkultur, denn nur wer handelt, schafft Fortschritt. Doch wer handelt, kann auch mal einen Fehler machen – und ein Fehler ist erst ein echter Fehler, wenn er wiederholt wird. Ansonsten ist es Lernen.
Weserwirtschaftsforum: Während die Weltbevölkerung steigt und jünger wird sind Phänomene wie Fachkräftenotstand, Nachwuchsmangel und Abwanderung von jungen Menschen in Deutschland auf dem Vormarsch und machen den Unternehmen zunehmend große Probleme. Wie können Frauen in unserer Gesellschaft einen Beitrag leisten, die Dinge zu ändern?
Gil Maria Leichtle: Hier sind alle Seiten gefordert! Die Politik, die Gesellschaft, die Unternehmen, die Männer- und die Frauen selbst! Bildung: Nach wie vor ist meist das Bild in Medien und im Kopf bei „Chirurg“ ein Mann, bei „Feuerwehr“ ein Mann, bei „Pilot“ ein Mann. Mädchen brauchen Rollen-Vorbilder. Unternehmen: Wenn die Unternehmen und HR einen Bogen um Frauen Ü50 machen, schaden sie sich selbst. Leider ist es so, dass da ein riesiges Potential nicht genutzt wird. Ich habe aktuell in meinen Workshops viele Frauen, die im Umbruch sind, weil sie – alle hochqualifiziert – aus dem üblichen Raster fallen, weil sie in die „Schubladen“ in vielen HR-Abteilungen und auch in Kommunen und Verwaltung nicht mehr passen. Und leider ist es auch so, dass Menschen mit
Lebenserfahrung vielen zu unbequem sind, dass lieber junge, anpassungsfähige Kräfte und am liebsten nach eigenen Regeln erzogene Mitarbeitende bevorzugt
werden. Damit schaden sich die Unternehmen selbst. Außerdem ist es auch oft so, dass Stellen durch Beziehungen und Netzwerke vergeben werden – zum Einen sind Männer mehr in den Netzwerken und zum Anderen gehen Männer eben auch mehr auf Männer zu, wenn sie jemanden suchen oder ansprechen. Beim Thema Netzwerken sind die Frauen leider auch noch nicht auf dem gleichen Level. Inzwischen gibt es erfreulicherweise aber immer mehr Frauennetzwerke, und
ich selber bin ja auch sehr aktiv daran, durch das „Frauen-Branchen-Buch“, durch
kleinere Events und jetzt den großen FrauenKongress Hannover am 18 Oktober.
Weserwirtschaftsforum: Im Oktober planen Sie einen Frauenkongress in Hannover. Was ist das Ziel von solch einem Kongress und was motiviert Sie solche Veranstaltungen ins Leben zu rufen und zu organisieren?
Gil Maria Leichtle: Meine Motivation ist „connecting people“ – und besonders, Frauen zu vernetzen, zu stärken und sichtbarer zu machen. Das mache ich (bisher mit Publikationen und
Netzwerk und der Frauenkongress Hannover schließt hier eine Lücke. Es gibt kleinere Events für Frauen, es gibt den Niedersächsischen
Unternehmerinnenkongress, aber dazwischen war bisher nichts. Ich habe große Freude und einiges Talent darin, Neues zu machen, Ideen zu generieren- und umzusetzen. Also initiiere ich eben einen Frauenkongress mit viel Inspiration Impulsen, Austausch und Begegnung.
Ich bin extrem gut vernetzt und kenne einerseits viele Frauen, die etwas zu bieten haben, die auch interessiert daran sind, diese Bühne zu nutzen und ihre Botschaft zu teilen – immer mit dem Fokus auf den Nutzen, den die Teilnehmerinnen erfahren.
Und ich weiß, dass enorm viele Frauen in Hannover und weit darüber hinaus, von diesem einzigartigen Kongress profitieren werden. Es kommen Frauen sogar aus Berlin und Hamburg. Der Kongress ist für alle Frauen, die auf der Suche nach Inspiration, persönlicher & beruflicher Weiterentwicklung und echter Begegnung sind. Es gibt Vorträgen zu Female Leadership, Resilienz, Finanzen und Vorsorge, Social Media, KI, Linkedin, Mental Health und Persönlichkeitsentwicklung.
Dazu – und das ist auch einzigartig- Kurzcoachings, Musik, Massage, LSP LEGO® Serious Play, ZukunftsKlangReise und Kreativitätsinsel. In einem inspirierenden, herzlichen Rahmen bringen wir Frauen zusammen, die mehr vom Leben wollen – für sich, ihr Umfeld und die Gesellschaft. Wir erwarten bis 200 Teilnehmerinnen – aktive, interessierte Frauen, ob in Familienzeit, Ehrenamt und/oder beruflich vielfältig aktiv, ob Angestellte, Selbstständige, pot. Gründerinnen, Führungskräfte.
Weserwirtschaftsforum: Welche Einstellung und Mindset braucht es, um eine erfolgreiche Startup-Unternehmerin in Deutschland zu werden?
Gil Maria Leichtle: Willen. Enormes Durchhaltevermögen. Und Mut, gegen den Wind zu segeln. Die Startup-Branche ist ein extremes Beispiel für die riesigen Unterschiede zwischen den Geschlechtern. So liegt der Anteil der Startup-Gründerinnen aktuell bei 18,8 Prozent. Das liegt einerseits am wirtschaftlichen Umfeld und den Branchen, andererseits auch an dem enormen Ungleichgewicht in der Förderlandschaft. Denn: 91 Prozent des Venture-Capital-Finanzierungen fließen in reine Männerteams! Frauen sind per se einfach vorsichtiger – Ausnahmen bestätigen die Regel – und insofern rate ich Gründerinnen, sich auf jeden Fall ein mixed Team zusammenzustellen, mit verschiedenen Fähigkeiten und Stärken. Gute Recherche und Marktforschung ist klar, aber bitte nicht warten, bis das Produkt perfekt ist, sondern starten! Starten und lernen und permanent verbessern und weiterentwickeln. Wichtige Basis sind natürlich die klassischen Skills, also Businessplan und Basiswissen zu Finanzierung, Liquidität, Steuer und Recht. Dazu gibt es inzwischen tolle Förderprogramme bei den Wirtschaftsförderungen und auch
online. Ganz wichtig aber auch die Persönlichkeitsentwicklung. Denn wir Menschen funktionieren ganz stark über das Unbewusste – und das hat seine Programme aus der Kindheit. Und wer da unbewusst gelernt und gespeichert hat, dsss z.Bsp. „Geld den Charakter verdirbt“ oder „Selbständigkeit gleich selbst & ständig PLUS Risiko“, wird sich -unbewusst- immer wieder selbst sabotieren. Deshalb ist es wichtig, sich durch Weiterbildung und Coaching diese Sachen bewusst zu machen, daran zu arbeiten und ein gesundes Selbstbewusstsein aufzubauen. Und ganz essentiell: Die Freude am Tun.
Weserwirtschaftsforum: Frau Leichtle, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.
Das Gespräch führte Joel Cruz