Konsequente Abbau
unnötiger Berichtspflichten
Die Bürokratie macht auch Ihr zu schaffen und der Jugend rät Sie folgendes: Investiert in eure Bildung, knüpft Netzwerke, probiert euch aus. Das Weserwirtschaftsforum sprach mit der Landrätin Astrid Klinkert-Kittel des Landkreises Northeim.
Astrid Klinkert-Kittel I Landrätin von Northeim I Foto: Landkreis Northeim
Weserwirtschaftsforum: Guten Tag Frau Landrätin Klinkert-Kittel, danke, dass Sie sich für das Weserwirtschaftsforum Zeit nehmen. Die politische Landschaft ist im Wandel. Ist unsere Demokratie in Gefahr?
Astrid Klinkert-Kittel: Die politische Landschaft verändert sich weltweit – und viele dieser Entwicklungen spüren wir auch bei uns im Landkreis Northeim. Manche
Bürgerinnen sind skeptisch, ob sie sich aktiv in die Gestaltung unserer Demokratie einbringen können. Dabei ist genau das der Kern einer lebendigen Demokratie: Wenn möglichst viele Menschen ihre Standpunkte und Ideen aushandeln, entsteht ein konstruktiver Austausch, der unsere demokratische Kultur stärkt. Ich sehe es als Aufgabe von Politik und Verwaltung an, den gesellschaftlichen Zusammenhalt aktiv zu fördern. Deshalb habe ich 2024 – gestützt durch einen einstimmigen Kreistagsbeschluss – ein Referat für Demokratieförderung eingerichtet. Es greift die Anliegen der Bürgerinnen auf und entwickelt gemeinsam mit ihnen Maßnahmen zur Stärkung des Miteinanders. Eine eigens durchgeführte Umfrage sowie das jährlich stattfindende Barcamp Demokratie fließen in ein
Handlungskonzept Demokratieförderung ein.
Das Referat ist ein verlässlicher Ansprechpartner – für alle, die sich bereits für unsere Demokratie engagieren, dies in Zukunft tun möchten oder Zweifel an
demokratischen Prozessen hegen. Nur gemeinsam können wir Verantwortung übernehmen, unsere Demokratie gegen Gefahren zu schützen und zukunftsfähig zu
gestalten.
Weserwirtschaftsforum: Die Länder und Kommunen kämpfen mit knappen Kassen und Haushalten. Wie sieht es im Landkreis Northeim aus und was wünschen Sie sich von der Bundesregierung? Welche neuen Denkweisen braucht es, um wieder finanziell stabiler zu werden?
Astrid Klinkert-Kittel: Wie viele andere Kommunen stehen auch wir im Landkreis Northeim vor der Herausforderung, mit knappen Haushaltsmitteln verantwortungsvoll zu wirtschaften. Wir setzen jeden Euro dort ein, wo er nachhaltige Wirkung entfaltet – sei es für die Digitalisierung, den Erhalt unserer Kreisstraßen, den Zivil- und Katastrophenschutz, den Klimaschutz oder die Bildungsinfrastruktur. Unsere Aufgabe ist es, auch unter schwierigen Bedingungen handlungsfähig zu bleiben.
Dafür braucht es vor allem verlässliche Rahmenbedingungen von Bund und Land. Dazu gehören: der konsequente Abbau unnötiger Berichtspflichten, eine verbesserte Konnexität – also die finanzielle Ausstattung für Aufgaben, die uns übertragen werden – sowie die Möglichkeit, als Landkreis gezielt von Förderprogrammen wie Investitionspaketen oder Sondervermögen zu profitieren. Kommunale Zukunftsgestaltung darf nicht zur Dauerbelastung werden. Sie braucht Planungssicherheit, kreative Spielräume – und vor allem die nötige Wertschätzung unserer Arbeit durch eine faire Finanzausstattung.
Weserwirtschaftsforum: Der Fachkräfte- und Nachwuchsmangel beschäftigt nicht nur die Betriebe, sondern auch öffentliche Verwaltungen. Bis 2030 werden demnach etwa 840.000 Vollzeitfachkräfte im öffentlichen Dienst in Deutschland fehlen. Wie
gewinnen Sie Fach- und Nachwuchskräfte für den Landkreis?
Astrid Klinkert-Kittel: Die Suche nach qualifizierten Fach- und Nachwuchskräften ist längst ein zentrales Thema – besonders in technischen, medizinischen oder
verwaltungsnahen Berufen. Der Wettbewerb ist groß, und wir wissen: Menschen entscheiden sich nicht nur für einen Job, sondern für ein Gesamtpaket. Wir investieren daher konsequent in unsere Attraktivität als Arbeitgeber: mit flexiblen Arbeitszeiten, Homeoffice, aktivem Gesundheitsmanagement, Bikeleasing und familienfreundlichen Strukturen. Unsere Auszeichnungen – das Zertifikat „audit
berufundfamilie“ und der Status als „TOPAS – Top-Arbeitgeber Südniedersachsen“
– spiegeln diesen Anspruch wider.
Wichtig ist mir auch, dass sich Mitarbeitende bei uns weiterentwickeln können –
fachlich wie persönlich. Trotzdem merken wir: Der Arbeitsmarkt wird enger. Manche Stellen lassen sich nicht beim ersten Versuch besetzen – das motiviert uns umso mehr, neue Wege zu gehen. Ob durch modernisiertes Ausbildungsmarketing, gezielte Fachkräftegewinnung oder offenere Anforderungsprofile – wir bleiben in Bewegung. Denn nur wer aktiv gestaltet, bleibt zukunftsfähig.
Weserwirtschaftsforum: Welche Visionen haben Sie als Landrätin für Northeim und seine Menschen?
Astrid Klinkert-Kittel: Meine Vision für den Landkreis Northeim ist eine moderne, zukunftsgerichtete Region, die Wandel nicht scheut, sondern aktiv gestaltet.
Digitalisierung, Klimaschutz, Fachkräftesicherung und gesellschaftlicher Zusammenhalt sind keine Schlagworte – sie sind konkrete Aufgaben, die wir
anpacken. Unsere Verwaltung entwickeln wir schrittweise zum digitalen Dienstleister –
bürgernah, effizient und verlässlich. Gleichzeitig investieren wir in eine moderne Infrastruktur, gute Bildungsangebote und zukunftsfähige Arbeitswelten.
Transformation heißt für mich: vernetzt denken, innovativ handeln und dabei niemanden zurücklassen.
Wir stärken Kooperationen, geben neuen Ideen Raum und schaffen ein Umfeld, in dem Unternehmen, junge Menschen und Familien Perspektiven finden. Ich sehe
großes Potenzial in unserer Region – mit engagierten Menschen, kreativen Betrieben und starken Netzwerken. Gemeinsam können wir aus Herausforderungen
Chancen machen. Daran arbeite ich – mit Überzeugung und im Schulterschluss mit
vielen Partner*innen vor Ort.
Weserwirtschaftsforum: Die Zukunft wird mit der Jugend gemacht. Welche Tipps,
Ratschläge und Empfehlungen würden Sie den Jugendlichen auf ihrem Lebensweg mitgeben wollen? Welche Worte und Gedanken fallen Ihnen zum Thema Zukunft und Jugend ein?
Astrid Klinkert-Kittel: Ich möchte jungen Menschen Mut machen: Unsere Welt braucht eure Ideen, eure Energie und euren Gestaltungswillen! Investiert in eure
Bildung, knüpft Netzwerke, probiert euch aus – ob in Praktika, durch ehrenamtliches Engagement oder Auslandsaufenthalte. Setzt euch für eure Werte ein – und bleibt gleichzeitig offen für andere Perspektiven. Lernt, komplexe Herausforderungen zu verstehen, und sucht Verbündete:
Kooperation ist oft wirkungsvoller als Konkurrenz. Vertraut auf eure Stärken, akzeptiert Fehler als Lernchance und bleibt widerstandsfähig – gerade in unsicheren Zeiten. Seid digital fit, aber vernachlässigt nicht das echte Miteinander. Denkt global,
handelt lokal – und bleibt neugierig. Eure Stimmen sind wichtig – ob für mehr Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit oder neue Formen des Zusammenlebens. Geht
euren eigenen Weg – aber geht ihn gemeinsam mit anderen. So gestaltet ihr eine lebenswerte, faire und nachhaltige Zukunft.
Weserwirtschaftsforum: Frau Landrätin, vielen Dank für das angenehmen Gespräch.
Das Gespräch führte Joel Cruz