Nienburg zwischen Innovation
und Transformation
Die Weserregion hat enormes Potenzial – landschaftlich, wirtschaftlich und kulturell. Doch Zukunft braucht Veränderungsbereitschaft, Kooperation und den Mut, Neues zu wagen, betont Detlev Kohlmeier, Landrat des Landkreises Nienburg Detlev Kohlmeier. Das Weserwirtschaftsforum wollte es genauer wissen – ein Gespräch über Herausforderungen und Chancen.
Detlev Kohlmeier I Landrat des Landkreises Nienburg/Weser I Foto: Landkreis Nienburg/Detlev Kohlmeier
Weserwirtschaftsforum: Herr Landrat Kohlmeier, danke, dass Sie sich für den
Weserwirtschaftsforum Zeit nehmen. Sie sind seit 2011 im Amt. Was waren Ihre
größten Erfolge und welche Visionen haben Sie für den Landkreis Nienburg/Weser
noch? Was wollen Sie in Ihrer Amtszeit noch erreichen?
Detlev Kohlmeier: Seit 2011 durfte ich als Landrat die Entwicklung unseres Landkreises mitgestalten – das ist herausfordernd und wir haben gemeinsam viel hingekriegt. Wir haben die Kreisverwaltung modernisiert, die Digitalisierung massiv vorangetrieben, vor allem haben wir in Bildung und Infrastruktur investiert. Besonders stolz bin ich auf den kontinuierlichen Ausbau unserer Bildungslandschaft und unsere erfolgreiche Klimaschutzarbeit. Mir geht es um die Zukunftsfähigkeit unseres Landkreises – und da müssen wir ein stabiles Angebot in der Daseinsvorsorge gewährleisten, da ist die kommunale Ebene
insbesondere im medizinischen Bereich zunehmend stark eingebunden. Dazu kommt eine konsequente Bürgerorientierung und eine noch engere Zusammenarbeit mit unseren Kommunen bei der Verwaltungsmodernisierung.
Weserwirtschaftsforum: Die Kommunen und Gemeinden haben mit knappen Finanzen zu kämpfen. Das hat viele Gründe. Wie gehen Sie damit um und was muss sich aus Ihrer Sicht verändern, um unseren Wohlstand zu halten und zu vermehren?
Detlev Kohlmeier: Die Finanzlage nahezu aller Kommunen ist mittlerweile extrem
angespannt. Dabei haben wir weniger ein Einnahmeproblem, sondern die Ursachen
sind im Wesentlichen strukturell und liegen auf der Ausgabenseite: steigende Sozialausgaben, wachsende Aufgaben ohne ausreichende Gegenfinanzierung,
Investitionsstau in der Infrastruktur. Mein Ansatz, im Rahmen unserer Möglichkeiten:
verantwortungsvolle Haushaltspolitik, gezielte Priorisierung und enge Abstimmung mit den Städten und Gemeinden. Die gesamte kommunale Ebene ist deutlich unterfinanziert und deshalb müssen wir gemeinsam entscheiden, was wirklich notwendig und machbar ist – und wo wir neue Wege gehen können, etwa durch interkommunale Zusammenarbeit oder Digitalisierung. Langfristig brauchen wir aber auch eine andere Weichenstellung auf Landes- und Bundesebene. Übertragene Aufgaben, zugewiesene Verpflichtungen, das dafür benötigte Personal müssen auch bezahlt werden. Die Kommunen müssen dauerhaft
finanziell handlungsfähig sein – nicht nur durch Förderprogramme,
sondern durch verlässliche und auskömmliche Budgets. Wenn wir Wohlstand sichern und vermehren wollen, braucht es Zukunftsinvestitionen: in Bildung, Klimaschutz, Innovationen und soziale Teilhabe. Ein starker Staat braucht unverzichtbar die starke Kommune! Sie ist meines Erachtens der Ort, an dem sich gesellschaftliche und damit politische und demokratische Zufriedenheit oder Unzufriedenheit ausbilden und entscheiden kann.
Weserwirtschaftsforum: Die Weserregion ist mit über 9,1 Millionen Einwohnern ein
spannender Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort mit viel Potenzial. Mit welchen Ideen und neuen Denkweisen könnte man die Weserregion und den Landkreis Nienburg für die Zukunft fit machen?
Detlev Kohlmeier: Die Weserregion ist reich an Potenzial: landschaftlich attraktiv,
wirtschaftlich vielfältig, kulturell stark. Doch wir müssen uns klar machen: Die Herausforderungen von morgen – demografischer Wandel, Transformation der Arbeitswelt, Klimaanpassung – bewältigen wir nur mit frischem Denken. Das bedeutet für mich: Veränderungsbereitschaft, mutige Kooperationen, mehr
Experimentierfreude, offene Innovationskultur. Ein gutes Beispiel für einen solchen zukunftsgerichteten Ansatz ist das Wasserstoffnetzwerk Leine-Weser, bei dem der Landkreis Nienburg/Weser als Lead-Partner eine zentrale Rolle spielt. Wasserstoff ist für uns keine abstrakte Vision, sondern ein konkreter Baustein für nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung und
klimafreundliche Energieversorgung. Mit Partnern aus Industrie, Wissenschaft und
Verwaltung entwickeln wir hier tragfähige Lösungen – regional, aber mit überregionaler Strahlkraft. Daneben treiben wir die Digitalisierung der Verwaltung voran, ein Vorhaben, das sehr gut zeigt, wie schwierig es ist, mehrere Beteiligte bei vermeintlich gleicher Zielsetzung auch auf den gleichen Weg zu bringen. Wenn wir es schaffen, unsere Kräfte zu bündeln, uns regional abzustimmen und gezielt in Zukunftstechnologien zu investieren, dann kann unsere Region nicht nur mithalten –
dann können wir vorn dabei sein.
Weserwirtschaftsforum: Stichwort Fachkräftemangel und Abwanderung von Jugendlichen aus den ländlichen Regionen. Welche Ideen haben Sie, um diesen prekären Fachkräftezustand für Wirtschaft und öffentliche Verwaltungen zu lösen? Was muss sich grundsätzlich in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ändern?
Detlev Kohlmeier: Der Fachkräftemangel betrifft alle Bereiche – Handwerk,
Industrie, Verwaltung, Pflege, Bildung u.v.m.. Und ja, es scheint so, als stehen ländliche Regionen dabei besonders unter Druck. Doch ich sehe gerade für den ländlichen Raum auch eine gute Chance zur Profilierung, wenn wir unsere „Special Skills“ vermitteln können, wie das attraktive soziale Umfeld oder das Leben im
Grünen mit Nähe zur Natur. So arbeiten wir daran, unseren Landkreis für junge Menschen attraktiver zu machen – durch moderne Schulen, attraktive
Ausbildungsangebote. Initiativen wie die beiden „Zukunftsregionen“, in denen wir uns engagieren, sind dafür gute Bausteine und die Verbesserung unserer Mobilitätsangebote ist eine ständige Daueraufgabe.
Weserwirtschaftsforum: In einigen Regionen bekommt man das Gefühl, dass es mehr Pflegeeinrichtungen gibt als Jugendliche. Was würde ein Landrat zu den jungen Menschen, die ihre berufliche Karriere noch vor sich haben, sagen? Welche Worte, Tipps oder Weisheiten würden Sie den Jugendlichen auf ihrem Lebensweg geben?
Detlev Kohlmeier: Eure Ideen, euer Mut, eure Haltung können den Unterschied machen, würde ich ihnen sagen: Versucht Euer Bestes! Hier gibt es (nicht nur) eine Aufgabe, Ihr werdet gebraucht. Also seid neugierig, seid mutig, bleibt stets kritisch
und zugleich lösungsorientiert. Vielleicht gehört es dazu, Umwege zu gehen, denn
es ist wichtig, Neues auszuprobieren, eigene Erfahrungen zu sammeln.
Ich wünsche mir, dass junge Menschen den ländlichen Raum nicht als Ausweg, sondern als echten Lebens- und Gestaltungsraum begreifen. Hier gibt es viele gute Chancen – beruflich, familiär, gesellschaftlich. Und solltet ihr mal zweifeln: Holt euch
Rat. Es gibt viele Menschen, die euch begleiten wollen. Auch als Verwaltung sind wir dazu gewillt, unsere Türen stehen offen – denn die Zukunft gestalten wir nur
gemeinsam.
Weserwirtschaftsforum: Herr Landrat Detlev Kohlmeier, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Joel Cruz